Alle Beiträge von gw

Interlog

Interlog

Die Reichenau

Sie ist die Wiege der deutschen Kultur, und die karolingische Minuskel wurde hier maßgeblich mitentwickelt, eine Schrift in Kleinbuchstaben, die eine höhere Schreibgeschwindigkeit zulies und von daher geeignet war die Gesetze und Erlasse Karls des Großen, der an Weihnachten 800 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde und sich damit legitimierte, das neugegründete Reich als Nachfolger des Römischen Reiches zu vertreten, als Franke über einen Vielvölkerstaat. Die Bezeichnung „Heilige Römisches Reich deutscher Nation“ entstand hingegen frühestens während der Regierungszeit der Ottonen – das war immerhin bis zu 200 Jahre später.

Nach der Auffassung der Reichenauer Lokalhistorie soll auch auf der Reichenau die Musikfixierung maßgeblich durch Hermann der Lahme vorangebracht worden sein, aber da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Andere Quellen und Forschungen sollen ergeben haben, dass die Anfänge der nachrömischen Fixierung von Musik um 750 n. Chr. in Spanien ihren Ursprung habe. Nachrömisch deshalb, weil es in der Antike schon Methoden dafür gab, die in Vergessenheit geraten sind.

Neumen

Unstrittig ist jedoch, dass von dieser kleinen Insel im Bodensee und durch das Kloster St. Gallen wichtige Impulse in vielerlei Hinsicht in karolingischer und ottonischer Zeit stattfanden. Interessant sind auch die architektonischen Zeichnungen, die detailliert zeigen, wie ein ideales Kloster geplant und gebaut werden könnte. Es handelt sich um den St. Gallener Klosterplan, der vermutlich zwischen 819 und 826 auf der Reichenau erstellt wurde.

Idealisten versuchen heutzutage, diesen Idealplan eines Klosters in der Nähe von Messkirch unter dem Projektnamen Campus Galli umzusetzen.

Codex_Sangallensis_1092_recto_klein

Klosterplan_Mitte_klein

Detailliertere Infos unter http://de.wikipedia.org/wiki/St._Galler_Klosterplan

Dieses UNESCO Weltkulturerbe ist für den oberflächlichen Betrachter nicht sichtbar spektakulär, aber Qualität liegt ja oft im Verborgenen. Zu erwähnen sind unbedingt die ältesten erhaltenen Fresken nördlich der Alpen in der Basilika St. Georg in Oberzell, die von allen Sakralbauten auf der Reichenau am ursprünglichsten wirkt und im Inneren eine meditative Eleganz ausstrahlt – mir ist sie auch die liebste.

Ansonsten wunderschöne Insel zum Erholen. Tagestouristen sind abends weg. Nicht geeignet für Feierlustige zwischen 18 und 30 Jahre. Allerdings dadurch auch viele Menschen jenseits ihrer Berufstätigkeit, manchmal – jedoch nicht oft – grimmig. Macht mir aber gar nichts, denn die Felchen, von Poonam zubereitet, sind so was von lecker.

Sensationelles Gemüse vor Ort und wunderbar zum Fahrradfahren. Abends die Seele baumeln lassen und Sonnenuntergang genießen am Strandcafé »Sandseele«.

Und das zweieinhalb Stunden mit der Bahn von Stuttgart. Grund genug, mit Poonam und Ravi wieder hierher zu kommen.

Zum Schluss noch ein Buchtipp von Michael Köhlmeier, der in Hard am Bodensee geboren wurde. Er ist der beste deutschsprachige Autor, der mir die letzten Jahre untergekommen ist. Ich rede vom Buch »Abendland«, in dem die Hauptprotagonisten ein Mathematikprofessor, ein mehr oder weniger gescheiteter Jazzgitarrist und dessen Sohn Sebastian Lukasser sind. Ein völlig abgefahrenes Buch. Unbedingt lesen.

abendland-9783423137188

Als Reiselektüre habe ich seinen letzten Roman »Die Abenteuer des Joel Spazierer« dabei. Es verspricht ein ebenso großartiger Lesegenuss zu werden.

DieAbenteureDesJoelSpazierer

 

Inselwitz gibt es heute keinen, dafür aber das nächste Mal, wenns in den hohen Norden geht.

Etappe 1

Etappe 1

Eine Reise hat ja nicht nur ein Ziel, sondern auch einen Weg dorthin.

Durlesbach_7

Ich kanns nicht lassen. Hier ein allerdings schon etwas älteres Bild von Deutschlands berühmtesten Kleinbahnhof, den ich auf meinen Reisen zum Studienstandort Friedrichshafen am Bodensee öfters passiere.

Ja, der Bodensee, das Schwäbische Meer. Ist nicht nur eine Floskel, das war mal wirklich so, ist aber schon ein Weilchen her. Ein sehr langes Weilchen, um genau zu sein über 1100 Jahre. Da liegt der See tatsächlich recht zentral und nicht so gedrängt an den Landesgrenzen wie heutzutage.

1024px-Alamannien_Hochburgund_ca_1000

 

Wie ihr jetzt schon sicherlich richtig vermutet, heißt die südlichste bewohnte Insel in Deutschland „Lindau“ im Bodensee.

Und mit Lindau hat es wiederum eine persönliche Bewandnis:
Es gab mal eine Zeit in der ich Berufmusiker war und deshalb auch Musik studieren wollte. Jahrelanges Üben und monatelange Vorbereitungen auf die Aufnahmeprüfungen. Bestanden habe ich 1983 an allen Musikhochschulen, in Mannheim, in Freiburg, in Stuttgart, allerdings gibt es an diesen Hochschulen immer nur eine sehr begrenzte Anzahl von freien Studienplätzen und ich stand somit auf der Warteliste, die ich bis zu 4 Semester für das Vorrücken in der Liste hätte in Anspruch nehmen können. Aber mein Leben hat sich bekanntermaßen etwas anders entwickelt. Jedenfalls war ich damals in Freiburg und hatte nach der Prüfung mal wieder Zeit und bin kurz entschlossen durch den Schwarzwald Richtung Bodensee gefahren. Die Schwarzwaldstrecke war noch nicht so gut ausgebaut, es brauchte seine Zeit und es wurde sehr spät, so dass ich zwischen Überlingen und Meersburg an einem Parkplatz im Auto übernachtet habe.

Am nächsten Morgen, sehr früh, gings weiter nach Lindau. Hier habe ich mich ins beste Hotel am Platz, dem „Bayrischen Hof“ direkt am Hafen begeben, immer noch sehr früh und es war noch kaum ein Mensch da, das Frühstück hingegen war vorzüglich und das Wetter – es war im Juni – super.

Nur der Kellner war am Schluss etwas arg langsam. Auch nach mehrmaligem Rufen ist der nicht erschienen. Ich warte, und warte und warte… – nach etwa einer Stunde war mirs dann zu dumm und bin gegangen. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich dabei das Zahlen vergessen habe. Ich schäme mich jetzt mal trotzdem. Habs aber heute versucht wieder gut zu machen und der Kellnerin ein fürstliches Trinkgeld gegeben.

Um mal jetzt wieder zurück zum Inselthema zu kommen, hier ein paar Impressionen:

 

 

Während die nördlichste, westlichste und östlichste Deutsche Insel gleichzeitig auch bewohnt sind, verhält es sich mit der südlichsten etwas anders. Die südlichsten Inseln in Deutschland liegen im Eibsee, nahe Garmisch, alle unbewohnt und mit einer Gesamtgröße von gerade mal einem guten Hektar.

Und das mit den drei Inseln im Bodensee ist auch bodenlos. Aber so haben wir es in der Schule gelernt. Didaktische Reduktion nennt sich das. So lernt man es auch am Staatlichen Seminar für Fachdidaktik und Lehrerfortbildung. Dieser Kunstgriff ist durchaus sinnvoll in Mathe und in den Naturwissenschaften usw. , aber doch nur bedingt in der Kulturwissenschaft und der Sozialwissenschaft, besonders am Gymnasium im Profilfach wenn es auf die Oberstufe zu geht.

Und da muss wieder mal ein Erlebnis herhalten, da sich kürzlich zugetragen hat:
Mein Sohn Ravi, 9. Klasse Gymnasium mit Kunstprofil bei der Kunstgeschichteklausur sollte die Frage beantworten, welche zwei künstlerische Reformbewegungen es Ende des 19. Jahrunderts / Anfang des 20. Jahrhunderts gab. Er nannte den Jugendstil und dies wurde ihm als Fehler angestrichen mit dem (roten) Vermerk, dass dies keine Reformbewegung sei. Wie bitte? Der Jugendstil, der maßgeblich auch von der Arts & Crafts-Bewegung beeinflusst wurde, von der antroposophischen Bewegung mit Rudolf Steiner usw. soll keine Reformbewegung sein? Die ganze Jugendstilarchitektten und Produktgestalter, insbesondere die Wiener Secession die als Bewegung angetreten ist den Historismus des 19. Jahrhunderts zu überwinden und neue Formen im Einklang mit den Bedürfnissen der Menschen zu suchen und zu kreieren?

Im Gegensatz dazu wurde von der Kunstlehrerin erwartet den Deutschen Werkbund zu nennen. Meiner Ansicht nach ist der Deutsche Werkbund vor allem deshalb gegründet worden um neue Produkte besser vermarkten zu können. Ich spreche ja dem DWB nicht reformerisches ab, aber der Reformgedanke ist hier mehr wirtschaftlicher Natur, während der Jugendstil auch die geistige Erneuerung im Sinn hatte.

Darauf angesprochen erwiderte die Kunstlehrerin mir: „So steht es im Schroedel (ein Schulbuchverlag) und ich halte mich daran.“ O Gott, und so jemand hat einen Universitätsabschluss. Ich habe den Eindruck, dass viele Lehrkräfte die Methodik des wissenschaftlichen Arbeitens nie wirklich verstanden haben. Wenn dem so wäre, würde man immer mehrere Quellen heranziehen, vergleichen und sich eine eigene Meinung bilden. Man würde dan akzeptieren müssen, dass es oft mehrere Sichtweisen gibt, die gleichzeitig richtig sind – der Standpunkt ist letzlich ausschlaggebend und die Begründung dazu. Mein Eindruck ist, dass oft Unsicherheit im Spiel ist, wenn es ums Bewerten geht, da beruft man sich halt aufs eingeführte Buch im jeweiligen Fach. Mit dieser Logik rechtfertigen auch alle religiösen Fanatiker ihr Tun. Man sieht ja überall die Folgen: in Syrien, im Irak, im Gaza-Streifen, auf der Krim, in der Ukraine etc..

Ich finde die Schüler und Studierende haben immer das Recht, eigene Lösungen und Schlussfolgerungen zu finden. Im Bereich der Typografie z.B. kann man niemals sagen, dass man bei Beachtung von einer handvoll Regeln in jedem Fall immer zu einem guten Ergebnis kommt. Da spielt schon die Erfahrung und die künstlerische Empfindungsfähigkeit eine sehr große Rolle. Die sucht man bei Lehrkräften in Funktionsstellen an den staatlichen Schulen wie eine Stecknadel im Heuhaufen. Im Übrigen durchaus ein Kernpunkt, der mich immer wieder in Konflikt mit dem staatlichen Schulsystem brachte – damals wie heute.

Und da muss ich mal ein großes Lob ausprechen für einen Lehrer, den Dr. Günther Müller, den wir ein paar Jahre auch als Klassenlehrer am Raichberg-Gymnasium in Ebersbach /Fils hatten. Best Teacher ever!

Wir hatten ihn in Geschichte und Deutsch, er hat aber auch an der Kunstakademie in Stuttgart studiert und dadurch das, was meiner Meinung einen guten Lehrer im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich ausmacht: Kompetenz gepaart mit einem extrem guten Allgemeinwissen und der Fähigkeit den Schülern assoziatives Denken zu vermitteln. Im Geschichtsunterricht war sein Bestreben, nicht nur die Fakten zu vermitteln, sondern uns auch das Denken der Menschen in der damaligen Zeit nahezubringen und warum sie dieses und jenes gemacht haben. Ganz toll bei ihm die Begleitumstände zu erfahren, wie es zur französischen Revolution kam, und warum wir noch heute von dieser Revolution partizipieren obwohl danach die Jakobiner diese Ideen pervertierten. Meine Ex-Klassenkameraden werden sich hoffentlich noch daran erinnern.

Und seine größte Eigenschaft: Unterricht komplett in freier Rede. Er hat uns mal erzählt, dass ein Prüfer bei seiner Lehrprobe gesagt habe: „Alles schön Herr Müller, Planung, Unterrichtsverlauf und Unterrichtskonzept alles gut strukturiert, aber lassen sie einfach jetzt alles liegen unterrichten sie frei.“ Das was dann kam hatte dem Prüfer wohl gefallen und Müller hats wohl gut und dannach offensichtlich zu seinem Standard gemacht. Leider musste er nach etwa vier Jahren unsere Schule wieder verlassen, das war die übliche Vorgehensweise, wenn man, wie bis in die 80-er Jahre hinein üblich, einen Kollegen disziplinieren wollte, der als ein 175-er galt. Ich will mir gar nicht vorstelle, wie der immer vom Kollegium gemobbt wurde, nicht offen, nein, Got bewahre, nur hinter vorgehaltener Hand selbstverständlich. Gottseidank haben sich die Zeiten etwas geändert.

Ich meine ein Typ der uns bei unserer Exkursion ins Elsass nach Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp führte, uns den Hartmannsweiler Kopf zeigte und uns parallel das Buch „Im Westen nichts Neues“ zu lesen gab, und andererseits uns schon Mitte der 70-er Jahre vom Gilgamesch-Epos, dem ältesten bekannten überhaupt, berichtete, uns erzählte, und dass man in Mohenjo Daro schon vor über 4500 Jahren standardmäßig Bäder und Toiletten in die Wohnungen eingebaut hat, also bitte, ist das nicht großartig? Ich saß also öfters mal da und dachte mir, wow, der Typ hats drauf.

Solltet ihr mal wieder die Gelegenheit haben das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart zu besuchen, haltet Ausschau nach einem schwarzen Mercedes 300, Sondermodell ca. 1956, achtfach lackiert mit einem Armaturenbrett aus Wurzelholz, das war höchstwahrscheinlich seiner. Eine nächtliche und feuchtfröhliche Party hat ihn dazu verholfen. Wetteinsatz war eine Kiste Kessler Hochgewächs, Herausforderung war, ob er dieses Auto aus dem Schuppen im Garten des Nachbars, welches seit einigen Jahren ungenutzt rumstand, kaufen würde. Er hats getan und ihn bekommen, für 800 Mark. Später hat sich rausgestellt, dass es von diesem Sondermodell mit einer Auflage von etwa 150 Stück nur noch zwei fahrbereite gab. Und von da an brauchte er sich um die Funktionsfähigkeit seines Fahrzeugs nicht mehr zu kümmern, das hat dann Mercedes-Benz übernommen.

Die Spur habe ich schon im vorvorangegangenen Absatz gelegt, hier zwischendurch mein Buchtipp heute, passend zu hundert Jahre 1. Weltkrieg, Erstausgabe von 1929:

Im Westen nichts Neues

 

Zurück zum Thema, die längst überfällige Inselliste des Tages:

Deutsche Bodenseeinseln
Obersee

  • Vogelinsel bei Lindau an der Mündung der Leiblach
  • Hoy bei Lindau
  • Lindau
  • Mainau
  • Dominikanerinsel in Konstanz
  • 2 Vogelinseln / ehm. Dorniermole bei Immenstaad

Untersee

  • Triboldingerbohl
  • Mittler bzw. Langhohl
  • Reichenau
  • Liebesinsel

Bodenseeinseln in der Schweiz im Untersee

  • Insel Werd
  • Mittleres Werdli
  • Unteres Werdli

Also ingesamt 14 Inseln, wovon 5 bewohnt sind.

Österreich hat mal wieder nichts in dieser Hinsicht am Bodensee zu bieten, allenfalls ein paar Sandbänke.

 

Schlusspunkt heute einen Inselwitz von Perscheid. Die Älteren von uns werden sich daran erinnern.

Insel-Witz_Etappe_1

 

Fazit des heutigen Tages:

Deutschlands südlichste bewohnte Insel – klein und städtisch!

Die Reichenau ist viel schöner und entspannender, weshalb ich die nächsten Tage auch dort verbringen werde. Danke dafür auch an Cassis.

 

Feedbacks an

mb@poonamdesigners.com

 

 

 

 

 

Prolog

Prolog

Was bitteschön hat Ilvesheim mit einer Insel zu tun, und mit meiner Reise zur nördlichsten, westlichsten, östlichsten und südlichsten Insel in Deutschland?

Ganz einfach, ich habe mir seit frühester Jugend Geschichten von diesem Ort Ilvesheim anhören müssen. Von den Vorfahren, die hier gelebt haben und Anfang des 19. Jahrhunderts ausgewandert sind. Nicht etwa nach Amerika, sondern ins russische Reich. In den Süden nahe des Schwarzen Meeres, nach Bessarabien, einem Gebiet, das in etwa dem heutigen Moldawien entspricht. Die Siedler sollten dort das durch den Krieg verwüstete Land wieder aufbauen, nachdem das Zarenreich diesen Landstrich von den Osmanen erobert hatte. Es sollten durch die Kolonisatoren wieder landwirtschaftlich erschlossen werden. Gute Erde dort, ich habe mir das mal vor über 20 Jahren angeschaut. Heute ists wohl wieder etwas schwieriger diese Gegend zu besuchen. Der Wein dort ist zwar einfach gemacht, schmeckt aber – viel und gut und niemals Kopfschmerzen.

Ja, und die Ilvesheimer Geschichten musste ich mir immer mit anhören, weil ja dort die Kirchenbücher waren die den Nachweis erbrachten. Vorfahr Konrad Zeh, geboren 1798 – das genügte damals vorerst als Nachweis dass die Siedler rein deutscher Abstammung waren – also wegen 1940 Hitler-Stalinpakt, Interessensgebiete, Bessarabien plötzlich auf der russischen Seite, und die Bessaraber wollten alle nicht nach Kasachstan, sondern lieber heim ins Reich – ungute Geschichte, heim durfte ja nur, wer den Nazis genehm war. Na ja, zwei weitere Dinge erzählt mir das trotzdem noch:

1. Meine Vorfahren waren aus dieser Linie keine Schwaben, sondern Kurpfälzer. Und der Ahnenpass meiner Mutter gibt weiterhin preis, dass sich diese Familienlinie nicht mit den pietistischen Schwaben in Bessarabien verheiratet haben. Und so bigott die damals waren ist die Wahrscheinlichkeit auch gering, das da was „neben naus ging“, aber man kann ja nie sicher sein.

2. Meine Vorfahren sind nicht wie die Schwaben hauptsächlich aus Glaubensgründen ausgewandert, sondern wegen des Angebots von Land und der Befreiung vom Wehrdienst durch den russischen Zar Alexander III. Keiner hatte Lust, sich als Kanonenfutter in der Armee von Napoleon zur Verfügung zu stellen – de facto ging es darum, der Zwangsrekrutierung zu entgehen. Insofern kann ich in meiner Familie auf fast 200 Jahre Wehrdienstbefreiung und -verweigerung zurückblicken.

Was immerhin auch zu denken gibt: Ich glaube, das Schwabe zu sein auch irgendwie eine Idee ist, so wie Vieles. Also ich meine damit, dass man sich als Afrikaner oder Chinese oder Inder auch irgendwann als Schwabe fühlen kann wenn man möchte, und ich finde das grundsätzlich gut. Ich fühle mich aber nicht solcherart und ich wills nicht.

Zurück zu Ilvesheim, das ich am 28. Juni 2014 zum ersten Mal in meinem Leben besucht hatte. Ich war auf dem Weg von Mannheim, wo ich an diesem Tag unterrichtet habe, nach Schriesheim weil an diesem Tag der Abiball meiner Abschlussklasse des TG dort stattfinden sollte und ich dazu eingeladen war. Zeit hatte ich etwas und der Tag war schön. Also habe ich mir das auf der Karte (Bahn-App – funktioniert super!) angeschaut und beschlossen, den Weg von Mannheim-Seckenheim über Ilvesheim und Ladenburg zu nehmen.

In Seckenheim angekommen die Feststellung, dass der nächste Bus dauert. Also losmaschiert. Schöner Spaziergang, tolles Wetter, emotionale Erfahrung, weil da die ganze Familiengeschichten wieder in Erinnerung kamen.

Ilvesheim an der Neckarschleife, um mal jetzt an den Punkt zu kommen, ist gar keine richtige Insel, sondern wurde zur Insel, weil vor langer Zeit ein Kanal gebaut wurde, der den Schiffen ersparte um die Neckarschleife tuckern zu müssen. Aber was ist da schon richtig oder falsch. Ist es wichtig per definitionem? Oder ist die Insel und das Inseldasein nicht auch manchmal nur so eine Idee. Was macht die Insel zur Insel? Es gibt so schöne Wortschöpfungen damit: „Die Insel der Seeligen“, „Reif für die Insel sein“, „Eine Insel des Friedens“, und nicht zuletzt gibt es auch Sprachinseln, wie in Bessarabien, oder auf dem Balkan oder in Dagestan, Chassawjurt, wo meine andere Familienlinie gesiedelt hatte, ursprünglich kommend aus Marienburg bei Danzig, aber das ist Stoff wieder für eine weitere Geschichte, also stop hier!

Von Arno Schmidt stammt das Buch »Die Gelehrtenrepublik« und spielt auch auf einer Insel. Tolles Buch.

Die Gelehrtenrepublik

Und wo wir gerade bei Bücher sind, hier mein Buchtipp des Tages, das mich mitunter zu dieser wahnwitzigen Idee dieser Inselreise inspirierte. Poonam, meine Göttergattin hats mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt. Es ist das Buch „Russische Reise“ von John Steinbeck und Robert Capa. Spannend, informativ und interessant, nicht nur, weil die beiden als Amerikaner 1947 gemeinsam die Sowjetunion besuchen konnten, was ohnehin schon sensationell war, sondern weil es auch Einiges aus fotografischer Sicht aufzeigt, was heute gar nicht mehr zur Diskussion steht. Robert Capa ist genau der Fotograf, der das berühmte Foto schuf, das in der ganzen linken Szene der siebziger Jahre in der BRD in den WGs hing, die Headline lautete „WHY?“, erinnert sich jemand? Und Robert Capa war verheiratet mit Gerda Taro, eine Fotografin aus Stuttgart, nach der vor ein paar Jahren ein Platz in Stuttgart benannt wurde, der sich oberhalb vom Olgaeck an der Hohenheimer Straße befindet. Leider ist sie viel zu früh gestorben, als Fotografin in spanischen Bürgerkrieg im Jahr 1937.

Russische Reise

Um wieder anzuknüpfen, was heute in fotografischer Hinsicht nicht mehr zur Dikussion steht wären belichtete Filme, die von von Sowjets konfisziert werden, Entwicklungsfehler, nie absolut sicher sein können, ob man die richtige Zeit/Blendenkombination erwischt hat usw.. Ich überlege mir grad, ob mein iphone 5c für meine Reise nicht völlig ausreicht? Die Fotos sehen doch ganz gut aus und für die digitale Publikation reichts auch. Aber für Print ists schon ein wenig knapp.

Heute zum Schluss noch ein Musikstück, das mir beim Spazieren am „Neckarstrand“ einfallen ist, ein alter Schlager von 1925.

Hier sind die Noten zum downloaden und selber musizieren:

Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren

Am schönsten ist immer noch die Originalversion:

Und als absoluten Schlusspunkt heute einen Inselwitz, den mir mein Freund Fred Feuerbacher nach dem Erhalt meiner Ankündigung gemailt hat.

inselwitz

Fazit des heutigen Tages:

Ilvesheim ist für mich eine richtige Insel.

Feedbacks an

mb@poonamdesigners.com